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Zwischen Hilfsbedürftigkeit und Selbstbestimmung

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Als Betroffener und Angehöriger die ersten Schritte in Richtung Pflegeplanung zu gehen, ist nie ganz leicht.

Niemand will es sich gern eingestehen, dass das Alter sich mit der Zeit physisch oder psychisch bemerkbar macht. Irgendwann fällt das Laufen schwer, das Bücken und Aufstehen gelingt nur mithilfe einer Stütze, die Gelenke werden steifer. Es kann vorkommen, dass aus Versehen der Herd angelassen oder der Hausschlüssel vergessen wird. Im schlimmsten Fall stürzen oder verletzen sich Betroffene, weil sie nicht wahrhaben wollen, dass sie alt, hilfs- und pflegebedürftig geworden sind. Dieser Zustand muss nicht unbedingt die Folge des Alterungsprozesses sein, sondern kann auch nach einem schweren Unfall eintreten und trifft in diesem Fall so plötzlich und unerwartet ein, dass Angehörige im ersten Moment völlig hilflos sind.

Ängste bei der Entscheidung fremde Hilfe anzunehmen, gibt es viele. Der Verlust der Selbstständigkeit und die mögliche Bevormundung durch Pflegende sind nur Beispiele. Die Akzeptanz und die Auseinandersetzung mit der eigenen Hilflosigkeit, das schlechte Gewissen anderen zur Last zu fallen und die Offenlegung der Privat- und Intimsphäre vor Verwandten oder professionellen Pflegekräften sind Faktoren, die den Schritt zur Einsicht nicht leicht machen.

Der demografische Wandel bewirkt ein Problem, mit dem sich die Rentenpolitik in Deutschland noch länger beschäftigen muss, nämlich dass die Anzahl der hilfsbedürftigen Senioren in den nächsten Jahren stark zunehmen wird. Zwar ermöglichen heutzutage viele moderne Hilfsmittel und eine durchschnittliche Verbesserung der körperlichen Konstitution von älteren Menschen einen selbstständigeren Alltag, trotzdem ist „Pflegenotstand“ ein gängiger Begriff geworden und bezeichnet das zu geringe Angebot an Fachkräften im Pflegebereich. Wer sich in der Situation befindet, für sich oder für Angehörige nach geeigneten Pflegemodellen und den Finanzierungsmöglichkeiten zu informieren, wird zunächst von einem Paragrafendschungel und einer Fülle von Anbietern erschlagen. Einen guten und verlässlichen Überblick bietet die Pflegebroschüre des Bundesgesundheitsministeriums. Der erste und auch empfehlenswerteste Schritt ist der Gang zum Arzt, da dieser eine erste Einschätzung über mögliche Einschränkungen und Bedürfnisse geben kann.

Um Pflegegeld von der Pflegeversicherung beziehen zu können, muss zunächst ein Antrag auf eine Pflegestufe gestellt werden. Ein Mitarbeiter der Krankenversicherung (MdK) prüft im Folgenden, wie viel Zeit die Unterstützung in Anspruch nimmt und wie intensiv die tägliche Hilfe gestaltet werden muss. Anhand dieser Begutachtung erfolgt die Einstufung in eine Pflegestufe. Die Grundpflege, welche hier Berücksichtigung findet, setzt sich aus Körperpflege, Ernährung und Mobilität zusammen. Das Pflegesystem in Deutschland sieht drei Stufen vor, je nach Schwere der Bedürftigkeit. Von der Stufe null wird gesprochen, wenn zwar Unterstützung in alltäglichen Verrichtungen erforderlich, aber der Umfang für einen Antrag auf eine Pflegestufe nicht groß genug ist. Doch auch hier kann Betreuungsgeld bezogen werden.

Die Pflegestufe wird anschließend bei der Pflegekasse beantragt. Wenn das Pflegegeld bezogen wird, kann der Betroffene selbst entscheiden, ob er es für einen professionellen Pflegedienst ausgibt oder an seine Angehörigen, die ihn pflegen, weitergibt. Meist reicht die gesetzlich vorgeschriebene Unterstützung nicht aus, weswegen eine private Zusatzvorsorge zu empfehlen ist. Die Erhaltung der Selbstständigkeit und körperlichen sowie geistigen Konstitution hat oberste Priorität. Die große Mehrheit der Senioren will zudem in ihrer gewohnten Umgebung wohnen bleiben. Zunächst werden also Hilfsmittel angeschafft, die Wohnung seniorengerecht eingerichtet oder umgebaut und die anfallende Pflege vom Partner oder meist von den Angehörigen übernommen. Dies ist im Übrigen das häufigste Pflegemodell in Deutschland. Sind die Anforderungen der Pflege zu hoch oder zeitlich zu aufwendig, muss über externe, ambulante Hilfe nachgedacht werden. Der erste Schritt hierbei ist die Pflegeplanung, die für alle Beteiligten Pflegeziele und Pflegemaßnahmen festhält und an die sich professionelle sowie Verwandte orientieren. Häusliche Pflege sollte dabei immer Vorrang vor stationärer haben. Mehr Selbstständigkeit kann zudem durch fördernde Pflegemaßnahmen erreicht bzw. erhalten werden, wenn beispielsweise eine kleine alltägliche Verrichtung wieder von dem zu Pflegenden übernommen wird.

Tagespflege, Nachtpflege, ambulante Pflege, häusliche Pflege, diese Palette wird noch vielfältiger, wenn sie mit den möglichen Wohnformen im Alter kombiniert wird, beispielsweise im betreuten Wohnen. Die Grenzen zwischen den Kategorien werden immer verschwommener. Während die schon genannten Modelle eher langfristig ausgelegt sind, bietet die Kurzzeitpflege die Möglichkeit einer stationären Pflege in Übergangs- oder Rehabilitationssituationen. Tagespflege ist sinnvoll, wenn berufstätige Angehörige nur abends und nachts zur Verfügung stehen, Nachtpflege ist bei Demenzkranken eine gute Möglichkeit, die zu betreuende Person über Nacht sicher versorgt zu wissen. Häusliche Pflege wird in Pflege durch Angehörige und in ambulante oder teilstationäre Pflege durch Pflegedienste unterteilt. Zu beachten ist hierbei natürlich auch die vorher festgelegte Pflegeplanung.

Sofern Senioren nicht mehr in der Lage sind, selbstständig Essen zuzubereiten oder es nicht mehr wollen, können sie sich Mahlzeiten von Essen auf Rädern sogar bis in die Wohnung liefern lassen. Meist wird dieser Dienst von Wohlfahrtsverbänden angeboten.
Angehörige sind stark belastet

Wenn die eigenen Eltern oder Großeltern von heute auf morgen zu einem Pflegefall werden, sind die meisten Betroffenen völlig unvorbereitet und wissen nicht mit der Situation umzugehen. Ganz gleich, welche Form der Pflegebedürftigkeit vorliegt, meist sind die Angehörigen von der Situation überfordert. Besonders wenn versucht wird, häusliche Pflege ohne eine 24-Stunden-Pflegekraft oder ohne die Unterstützung eines ambulanten Pflegedienstes aufrechtzuerhalten, sind die psychischen und physischen Belastungen für Verwandte zum Teil erheblich. Deswegen wollen viele Senioren gar nicht erst von den Angehörigen gepflegt werden, um ihnen nicht zur Last zu fallen. Im schlimmsten Fall führt dies zu familiären Spannungen, Konflikten und Schuldgefühlen. Ein offenes Gespräch über die bevorstehenden Bedürfnisse und Ängste ist also im Vorfeld zu führen, damit diese Situation gar nicht erst entsteht. Ebenso bieten Krankenkassen, Sozialverbände sowie Ehrenamtliche Beratung und Unterstützung in dieser Anfangsphase an. Hier sei als Beispiel ein „Anfängerkurs“ für Angehörige genannt, der die ersten Handgriffe beim alltäglichen Heben, Ankleiden oder Waschen erleichtern soll.

In Zukunft müssen neue, innovative Konzepte und Reformen im Pflegebereich angegangen werden, da ein jeder das Recht auf einen Lebensabend in Würde und eine angemessene Fürsorge hat. Die Brisanz des Themas wird in Hinblick auf den demografischen Wandel und die steigende Altersarmut immer mehr in den Fokus der Öffentlichkeit rücken.

Quelle:
http://www.zeit.de/angebote/senioren-ratgeber/pflege/index

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